Nach Schätzungen der EU-Kommission entfallen rund 40 Prozent des Energieverbrauchs in Europa auf Gebäude. Der Immobiliensektor kann also durch entsprechende Maßnahmen viel zum Klimaschutz beitragen. Immobilienunternehmen stehen zunehmend in der Pflicht, nachhaltige Kriterien bei Umweltschutz, Sozialstandards und guter Unternehmensführung (ESG) stärker als bisher zu beachten.
Immobilienunternehmen sind schon heute dazu angehalten, für mehr Nachhaltigkeit beim Bau und Betrieb von Gebäuden zu sorgen. Die neue Bundesregierung wird ihre Anstrengungen zum Klimaschutz weiter forcieren. Nach Einschätzung von Benita Schneider, Leiterin des europäischen Immobilien Asset Managements der DWS, kommt zunächst nichts völlig Unerwartetes auf die Branche zu. Denn Nachhaltigkeit bei Immobilien ist schon seit Jahren ein Thema. Was stärker wiegt, ist das gestiegene Bewusstsein, dass der Klimawandel ein gemeinsames und inzwischen vor allem ein rasches Handeln fordert. Das hat über die Jahre vermehrt die Politik auf den Plan gerufen und Forderungen nach einem stärkeren ordnungspolitischen Rahmenwerk vergrößert.
Langfristig orientierte Anbieter von Immobilienfonds fungieren schon längere Zeit als eine Art Risikomanager, die auch die sogenannten ESG-Risiken ins Kalkül ziehen. Die Nichtbeachtung von ökologischen, sozialen Aspekten sowie Kriterien der Unternehmensführung, birgt zusätzliche Risiken im Investmentprozess.
Da ist zunächst das Carbon Transition Risk, das sich durch die Umstellung einer Gesellschaft auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft ergibt. Daneben besteht das Physical Climate Risk. Dabei werden die physischen Auswirkungen des Klimawandels auf einen bestimmten Immobilienstandort betrachtet, beispielsweise bei Gebäuden in Küstennähe oder – ganz aktuell – im Überschwemmungsbereich von Flüssen. Schließlich darf man das Social Norms Risk nicht aus den Augen verlieren. Auch die Immobilienwirtschaft kann sich nicht der sozialen Verantwortung entziehen, die sich aus den geänderten Ansprüchen der Gesellschaft, von Mietern und Investoren in Bezug auf Klimawandel und Nachhaltigkeit ergeben.
Diese Risiken werden im Management von Immobilienfonds bereits heute berücksichtigt, indem festgelegt werde, bei welchen Immobilien Maßnahmen ergriffen werden müssen, um deren CO2-Fußabdruck zu verringern. Schließlich ist eine der Aufgaben eines treuhänderischen Verwalters von Immobilienfondsvermögen, die Objekte auf dem neuesten Stand der Technik zu halten, um deren Attraktivität für die Mieter und deren Werthaltigkeit für die privaten und institutionellen Anleger zu erhalten beziehungsweise im Idealfall zu steigern.
Wohn- und Gewerbeimmobilien gelten wegen ihres hohen Energieverbrauchs als einer der Schlüsselfaktoren, um die Erderwärmung zu begrenzen und die EU bis 2050 kohlenstoffneutral zu stellen. Den einen verbindlichen Standard, die Energieeffizienz im Bestand zu steigern, gibt es nicht, aber viele Wege dorthin. So kann man bei einem Neubau statt einer Gasheizung eine Wärmepumpe oder statt einer Klimaanlage Kühldecken einbauen oder eine sonnenabweisende Fassade planen. Beim Bestand kann man zumindest für die Allgemeinflächen auf Anbieter grüner Energieformen zurückgreifen, oder mit einer extern entwickelten Software an das Gebäudeleitsystem einer Immobilie ankoppeln. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz können so Ineffizienzen aufgedeckt und die Energieeffizienz des Gebäudebetriebes nachhaltig erhöht werden. Das hilft nicht nur, CO2-Emissionen zu reduzieren, sondern ermöglicht auch Energie- und Kosteneinsparungen in den Gebäuden. Das ist auch für die Mieter ein großes Plus, wenn dadurch die Nebenkosten sinken.
Beim Neuerwerb von Immobilien sollten Fondsgesellschaften die Möglichkeit nutzen, die zuvor erwähnten drei ESG-Risiken im Rahmen des Due Diligence Prozesses zu bewerten und somit zu analysieren, ob ein Objekt bezüglich des Rendite-Risiko-Profils den eigenen Erwartungen und denen ihrer Anleger entspricht.
Zudem besteht die Möglichkeit, anhand des europäischen Carbon Risk Real Estate Monitors (CRREM) zu prüfen, ob und wann ein Wertverfall des Gebäudes infolge strengerer Umweltauflagen droht, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Anhand dieser Indikation und der Kalkulation möglicher Kosten kann der Fondsmanager dann entscheiden, ob ein Objekt für den Kauf in Frage kommt oder nicht.
Die von der EU geforderte Klimaneutralität bezieht sich nicht nur auf die CO2-Emissionen, die durch den Gebäudebetrieb entstehen. Auch Baumaterialien selbst haben unterschiedliche CO2-Fußabdrücke, so stellt sich die Frage, wie sich diese Treibhausgase im Immobilienbaumanagement berücksichtigen lassen. Hier wird in der Praxis zwischen Neubau und Sanierung unterschieden. Bei Sanierungen entsteht CO2 auf unterschiedlichen Wegen, etwa beim Abriss durch Transport und Entsorgung von Schutt oder beim Wiederaufbau durch den Einsatz von Zement. Daher sollte sorgfältig abgewogen und geprüft werden, inwieweit Gebäudesubstanz erhalten werden kann. Zum anderen kann mit alternativen Materialien wie Holz gebaut werden, die CO2 sogar langfristig binden, oder auf Baustoffe zurückgegriffen werden, die mittels CO2-armer Prozesse hergestellt werden.
Ein wichtiges Instrument, um ESG-Kriterien in „grünen“ Mietverträgen für einen nachhaltigen Gebäudebetrieb zu implementieren, ist die Einbindung von Mietern in Maßnahmen zu mehr Nachhaltigkeit. In vielen Ländern etwa ist der Mieter nicht verpflichtet, Verbrauchsdaten mit dem Vermieter zu teilen. Aber je mehr solcher Daten zur Verfügung stehen, desto besser lässt sich ein Gebäude analysieren. Weitergehende Vereinbarungen lassen sich etwa bezüglich des Einkaufs sogenannter grüner Energie, der Reduzierung von Abfällen oder der Verwendung von umweltschonenden Putzmitteln bei der Reinigung in den verwalteten Immobilien treffen. Um eine nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung der Immobilie zu erreichen ist der Besitzer der Immobilie auf die Kooperation der Mieter angewiesen, dies kann nicht einseitig durchgesetzt werden.
Jede Nutzungsart hat ihre Besonderheiten in Bezug auf Energieverbrauch und Energiemix. Die genaue Erfassung und Auswertung von Daten ist wesentlich, um den Nachhaltigkeitserfolg zu bewerten. Dies wird in der Regel innerhalb eines Immobilienportfolios sichergestellt, indem beispielsweise für jeden Fonds ein Strategie entworfen wird, die das Ziel verfolgt , die CO2-Emissionen und den Energieverbrauch der Fondsimmobilien zu reduzieren. Darin ist aufzuführen, welche Maßnahmen für welche Immobilien eingeleitet und welche weiteren Maßnahmen darüber hinaus noch erforderlich sind. Auch sollten die Bestandsobjekte im regelmäßigen Abstand einiger Jahre einer energetischen Prüfung unterzogen. Im Zentrum dieser Überprüfung steht die Frage: Entspricht die Gebäudetechnik dem aktuellen Stand und was wäre nötig, um die Energieeffizienz des Gebäudes weiter zu verbessern? Neben der damit verbundenen Einsparung von Energie- und anderen Betriebskosten wirkt sich dies auch positiv auf die Gebäudezertifizierung aus, was wiederum ein bestimmtes Maß an Verantwortungsbewusstsein signalisiert, für Nachhaltigkeitsaspekte sensibilisiert und die Wettbewerbsfähigkeit eines Gebäudes erhöht.
Eine weitere Frage ist, inwieweit sich Zertifizierungen auf die Vermietbarkeit von Gebäuden auswirken. Schon heute sind Zertifizierungen ein gutes Argument, ihre Bedeutung wird weiter zunehmen. Das gelte auch auf Mieterseite, Stichwort „Carbon Transition Risk“ beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Denn Mieter werden zunehmend energieeffiziente Gebäude nutzen wollen, nicht nur weil deren Betriebskosten niedriger sind, sondern weil sie selbst als Unternehmen ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten wollen. Einen immer höheren Stellenwert nimmt auch das Thema Gesundheit und Wohlbefinden in Immobilien ein. Das Installieren von Plasma-Luftreinigungssysteme in den Aufzugskabinen der Fahrstühle sind nur ein Beispiel, um Viren und andere schädliche Partikel zu eliminieren und die Nutzung von Fahrstuhlkapazitäten selbst in Corona-Zeiten wieder auf Normalniveau zu bringen.
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